05. Juli 2021

Christina von Dreien – Symbolfigur für das geistige Gefängnis einer esoterischen Ideologie?

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„Angehimmelt – ohne Zweifel bewundert. Da wächst die Angst, daß ich enttäuschen kann. Ich sing nur ein Lied und Du erwartest ein Wunder. Wo hört das auf und was fängt dann an?“

In jungen Jahren hatte ich Pur rauf und runter gehört.
Ich kannte fast jedes Lied auswendig.

Aus ihrem Album Abenteuerland war Ungeheuer eines meiner Lieblingslieder.
„Ich bin kein Heiliger, ich bin auch kein Ungeheuer …“

Und heute, wo ich hier und jetzt über Ideologien und Gurus meine Gedanken niederschreibe, frage ich mich, warum ich dieses Lied damals so gut fand.

Meine Antwort:
Schon vor Jahren muß es etwas in mir gegeben haben, was ahnte, daß sich Guru und Gefolgschaft stets gegenseitig einsperren.

Wie ich das Phänomen Christina von Dreien wahrnehme

Ich muß gestehen, daß ich bislang noch keinen persönlichen Kontakt mit Christina von Dreien hatte.
Insofern mag das, was ich hier über Christina von Dreien sage, fehlerbehaftet sein.
Jeder Leser sollte deshalb – wie immer – sorgfältig meine Thesen überprüfen.
Aber nicht nur einseitig, sondern in beide Richtungen.

Sollte ich in diesem Artikel zu viel in meine Wahrnehmungen über Christina von Dreien hineininterpretieren, wird in erster Linie nur sie selbst bestätigen oder widerlegen können, was wirklich in ihr vorgeht.
Vorausgesetzt natürlich, sie ist wirklich ehrlich zu sich selbst …

Ich muß darüber hinaus auch gestehen, daß ich Christina von Dreien nicht wirklich verfolge.
Doch jedes Mal, wenn ich diese junge und noch werdende Frau in einem Video sehe, dann macht es mich traurig.

Wenn ich mir Christina von Dreien anschaue, dann vermisse ich ein befreiendes Lächeln.
Ich vermisse Fröhlichkeit.
Und wenn sie mal lächelt, dann drängt sich mir immer wieder der Eindruck auf, daß sie sich schon fast dazu zwingen muß zu lächeln; daß es irgendwie aufgesetzt ist.
Es wirkt wie ein innerer K(r)ampf.

Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob und wie ich das, was ich hier umschreibe, in Worte fassen soll.
Es könnte als persönlicher Angriff verstanden werden.
Aber ich rede hier nicht davon, daß mir Christina von Dreiens Nase nicht paßt oder für mich ihre Ohren zu klein, zu groß oder zu weit abstehend sind.

Wenn ich sie beim Wort nehme, dann wäre es sogar egal, wie sehr ich sie durch den Kakao zu ziehen versuchte.
Da sie für die Liebe steht, würde sie mir theoretisch eh eine jede solcher Schandtaten bedingungslos verzeihen, nicht wahr?

Hinzu kommt, daß jeder, der den Schritt in die Öffentlichkeit wagt, mit Gegenwind rechnen muß.
Und jemand wie Christina von Dreien steht nun mal in der Öffentlichkeit.
Das ist manchmal echt starker Tobak, der einem von emotional oder moralisch getriebenen Menschen entgegengeworfen wird.

Ich möchte jedenfalls auf etwas Bestimmtes hinaus.
Ich möchte in diesem Artikel die Frage aufwerfen, ob Christina von Dreien wirklich frei in ihrem Handeln ist, oder ob sich etwas in ihr eingesperrt fühlt, weil sie etwas darstellen muß, zu dem sie von anderen Menschen gemacht wurde.
Wird sie benutzt – ja, sogar mißbraucht für fremde Zwecke?

Der Guru – ein ausgehöhlter Mensch

Es ist so manches Mal eine echte Gradwanderung.
Wer anderen Menschen etwas mitteilen möchte, braucht Mittel und Wege, diese Mitmenschen auch zu erreichen.
Es geht letztlich um die Vermarktung der Botschaft, die für die anderen Menschen so schmackhaft gemacht werden muß, daß sie sich von ihr angezogen fühlen, sie kosten, sie hinunterschlucken und schließlich noch mehr davon verlangen.

Die Botschaft wird als Produkt vermarktet.
Das geht manchmal so weit, daß die Grenze zwischen Produktvermarktung und Botschaftervermarktung verschwimmt.
Der Botschafter wird selbst zu einem Produkt und wird damit entmenschlicht.
Es entwickelt sich ein Personenkult.
Er wird zu einem Guru, dem andere mit sabbernden Mäulern bedingungslos folgen.

Der Guru bedient seinen Markt.
Er sagt seiner Gefolgschaft immer das, was sie hören wollen.
Er greift Entwicklungen auf und reitet – wie im Hamsterrad der Ideologien üblich – die nächste Welle mit.
So bleibt die Gefolgschaft bei ihm.
So bleibt sie emotional von ihm abhängig, weil sie bei ihm eine Wohlfühloase findet.

Ist dieser Guru-Status erst einmal erreicht, ist der Guru ein gern gesehener Gesprächsgast.
Denn dieser Gesprächsgast bringt seine Gefolgschaft gleich mit.
Der Gesprächspartner erhofft sich, vom Interesse am Guru eine Scheibe abschneiden zu können.
Und zu kritisch und zu hinterfragend sollte ein solches Interview auch nicht verlaufen, weil sich der Guru dann auf den Schlips getreten fühlen könnte und womöglich nie wieder mit einem spricht.

Es geht auf einmal gar nicht mehr um die Inhalte.
Für jemanden, den Geld oder Anerkennung bewegen, geht es nur noch darum, wie er den Guru möglichst gewinnbringend für sich selbst nutzen kann.
Das tiefgründige Hinterfragen führt selbst abseits von Politik und Medien ein Nischendasein.
Anbiederung ist auch in der sogenannten Alternativszene zum Programm geworden.

Der Guru ist zum Getriebenen seines Umfelds geworden.
Ehe er sich versieht, sind auch für ihn Geld und Anerkennung die Beweggründe geworden.
Wie eine Hure wird er herumgereicht, an welcher sich jeder einmal befriedigen darf.
In größter Dunkelheit zieht jedes Licht die teils blutsaugenden Parasiten magisch an.

Der Guru bleibt irgendwann als eine inhaltsleere Fassade zurück.
Er ist nur noch seine Maske, an welcher sich andere Menschen einen runterholen.
Es geht nur noch um die eigene oberflächliche Bedürfnisbefriedigung.
Es geht aber nicht mehr um den Menschen, der sich dummerweise aus eigener Gefälligkeit zum Guru hat machen lassen.

Für einen Menschen, der der Anerkennung wegen zum Guru geworden ist, ist es ein Teufelskreis.
Das eigene Verlangen danach, von anderen Menschen gemocht zu werden, zwingt ihn zur Konformität mit seinem Umfeld, wie es unzählige systemgläubige Lemminge bereits vormachen.
Nur dann, wenn er einen Gefallen daran findet, auch mal nicht zu gefallen, kann der zum Produkt gewordene Mensch aus seinem Guru-Dasein aussteigen.

Der Mensch hat stets die Wahl, Konflikte auf zweierlei Weisen auszuleben:
Entweder stellt er sich dem Konflikt im Außen oder er macht sein Innenleben zu einem immer größer werdenden Kriegsschauplatz.

Christina von Dreiens Kanarienvogelschicksal

Mit ein wenig Abstand ist es ein merkwürdig anmutendes Bild, daß Teile der Gesellschaft zwar von ihren politischen Gurus gelernt haben loszulassen, sich aber sofort neue Gurus suchen.
Jeder Strohhalm, der sich ihnen bietet, wird sogleich gegriffen.

Anstatt selbstständig zu werden, wird alle Hoffnung auf den Schultern einer noch jungen und werdenden Frau abgeladen.
Christina von Dreien ist in mancherlei Hinsicht sicherlich ein Phänomen.
Doch diese Hilflosigkeit, die physische Erwachsene im Vergleich zu einer physisch noch wachsenden und diese Hilflosigkeit, die geistig noch wachsende im Vergleich zu einer angeblich geistig bereits erwachsenen Frau, zeigen, spricht wahrhaft Bände.

Die Unbeholfenheit und Orientierungslosigkeit der Rockzipfeljäger zwingt auch eine zierliche Pflanze dazu, sich in einem goldenen Käfig wohlfühlen zu müssen.
Ob eine Christina von Dreien hinter glänzenden Gitterstäben aufblüht, muß sie selbst beurteilen.

Nicht auszuschließen ist jedenfalls, daß es wohl Menschen geben wird, die Christina von Dreien weiterhin in der esoterischen und rosaroten Welt einer weiteren Truman-Show behalten wollen.
Ihre eigenen Bedürfnisse sind ihnen wichtiger als Christina von Dreiens Freiheit.

Da Christina von Dreien in jungen Jahren bereits zu einem weiteren Produkt einer breit aufgestellten esoterischen Ideologie geworden ist, wird sie diese sektenähnlichen Strukturen wohl nur mit größerer Kraftanstrengung verlassen können.

Daß Gefolgschaft und Umfeld Christina von Dreiens Freiheit unbewußt beschneiden, mag der Laie moralisch verurteilen.
Wir wissen aber nicht, ob gerade dieser Umstand das größte Wachstumspotential für Christina von Dreien selbst birgt.
Denn, wie schon angedeutet: Sie wird einen Gefallen darin finden müssen, auch mal nicht zu gefallen.

Wie so oft in der esoterischen Szene zu beobachten, predigt auch Christina von Dreien die Liebe.
Sie wird zu einem Multiplikator eines „sozialen Beweises“ der Esoterik-Szene.

Die große Gefahr bei diesen Tendenzen ist jedoch, daß neben dem Ideal der Wahrheit insbesondere das Ideal der Freiheit übersprungen wird.
Freiheit scheint schließlich in einem Widerspruch zu jeglichen Vereinigungsabsichten zu stehen.

Statt eines politischen Coronavirus’ ist es der esoterische Liebesvirus geworden.
Wieder wird sich der einzelne Mensch einer Kollektivvorgabe unterzuordnen haben – nur dieses Mal kommt die Moral des vermeintlich guten Handelns nicht aus der Politik, sondern aus der Esoterik.

Der Weg zur Ergründung von wahrer Freiheit wird damit im ersten Moment abgeschnitten.
Und ohne Freiheit bleibt für die Zuhörer daher nur die Abhängigkeit.
Sie müssen somit noch weiterhin an den Lippen Christina von Dreiens hängen bleiben.
Sie müssen alles dafür geben, daß Christina von Dreien noch weiterhin sagt, was so gerne gehört wird.
Sie müssen dafür sorgen, daß Christina von Dreien nichts sagt, was dem esoterischen Liebesnarrativ widerspricht.

Ich habe mittlerweile gelernt, daß nicht überall, wo Liebe drauf steht, auch Liebe drin steckt.
Die Menschheit hat noch einen längeren Weg vor sich, dieses Ideal in der Tiefe zu ergründen.
Bis dahin könnte einer Christina von Dreien jedoch nur das Kanarienvogelschicksal bleiben, welches sie mit vielen anderen bunten Vögeln aus den sozialen Medien teilt.

Denn niemand, der aus „Solidarität“ zum esoterischen Liebesnarrativ von seiner Gefolgschaft weiterhin „geliebt“ werden will, darf schließlich sagen:
„Ich habe mich geirrt.“

Mai 2018 – Ironischerweise hielt ich diese Vortragsprobe auf der Bühne jener Sekte, in welche ich damals noch unbewußt hineingerutscht war. ?

Drachen sollen fliegen

So wie der König seine Untertanen braucht, um König zu sein, so ist der Guru nur dann ein Guru, wenn er eine ihm hörige Gefolgschaft hat.
Weder der eine noch die anderen sind wirklich frei.

Sie sind nicht frei, weil sie sich gegenseitig in Abhängigkeiten halten.
Gefolgschaften sperren deshalb auch ihre Gurus ein – in goldene Käfige.
Hartmut Engler (der Sänger von Pur) singt, daß der Weg nach draußen dann bedenklich schmal wird.

Ich kann noch nicht abschließend beurteilen, wie viele Menschen die Gefahr sehen, daß auch esoterische Liebesnarrative Menschen wie Christina von Dreien geistig gefangen nehmen können.
Wahrscheinlich ist es vielen Menschen, die einem esoterischen Weltbild anhaften, auch egal – Hauptsache ihre esoterischen Schattenspiele auf der Felswand einer weiteren Höhle Platons finden in ihren rosaroten Daily-Soaps von Verbotener Liebe bis Gute Zeiten – Schlechte Zeiten eine nimmer endende Fortsetzung.

„Ruf so laut Du kannst: ‚Laß mich (bitte) los!‘“ würde ich Christina von Dreien gerne zuflüstern.
Denn jedes Mal, wenn ich die alten Aufnahmen höre, wie in den Live-Konzerten von Pur das Publikum bei Drachen sollen fliegen mitsingt, dann weiß und fühle ich jedes Mal, daß die Sehnsucht und die Liebe nach Freiheit in unserer Kultur sich niemals von noch so gut gemeinten Liebesetiketten unterdrücken lassen wird – auch nicht von denen aus der Esoterik.

Physisch erwachsen, das werden wir scheinbar von ganz allein.
Geistig hingegen – das müssen wir wirklich wollen!

Dies ist ein Artikel aus den Artikelserien Das Hamsterrad der Ideologien sowie Selbstoptimierungswahn.
Dieser Artikel baut auf der erkenntnistheoretischen Grundlage von Rudolf Steiner auf. (vgl. GA 1 bis GA 4)

Martin Matzat

Martin Matzat ist Philosoph, Referent, Autor sowie Erkenntnis- und Ideologieforscher. Der Dipl. Wirtschaftsingenieur, den die Lösung der sozialen Frage umtreibt, ist bis zur erkenntnistheoretischen Grundlage unserer Weltbilder vorgedrungen und sieht darin die Ursache gegenwärtiger und sich zukünftig wiederholender Ideologien.

Bisher veröffentlichte Bücher:
- Bewußtsein sucht Geld & Freiheit – Finanzielle Freiheit und Networkmarketing im gesellschaftlichen Kontext (2019)
- Die Matrjoschka-Matrix – Erkenntnis und Wahrheit (2020)


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