23. Juli 2016

Der Unterschied zwischen Umlaufgebühr und Negativzins

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Das Vorwort.

Und noch nicht einmal ganz.

 

Ich habe Die natürliche Wirtschaftsordnung von Silvio Gesell nicht gelesen.

Sondern lediglich 3 Seiten aus dem Vorwort.

 

Nenne mich faul, wenn Du magst.

Aber ich behaupte, daß ich die Gedanken hinter der Umlaufgebühr trotzdem verstanden habe.

Und ich empfinde sie sogar als äußerst inspirierend.

 

Ok, gut.

Gesell-Anhänger werden nun vielleicht noch die Bodenreform mit ins Spiel bringen, die die Freigeldthorie erst zu dem macht, was sie ist bzw. sein soll.

 

Für mich aber kalter Kaffee, weil ich für eine strukturgebende (Staats-)Gewalt, die Recht und Gesetze durchsetzt, keine Zukunft sehe.

 

Nichts desto trotz empfinde ich aber auch Bewunderung für die Gesell-Anhänger, wenn sie versuchen den Charme einer Umlaufgebühr an den Laien zu verkaufen.

(Was ich auch gemacht habe, siehe u.a. Wie nicht nur Dir umlaufgesichertes Geld dabei hilft raus aus der Komfortzone zu kommen)

 

Wenn dann jedoch ein solcher Laie, den Sinn der Umlaufgebühr verstanden hat und sagt

 

„Also sowas wie Negativzins…!“

 

dann gerät so manches Gesellgemüt doch so manches Mal arg ins Wanken.

 

Denn schließlich wurde zuvor über die EZB und Banken hergezogen und wo bleibt da jetzt noch das Differenzierungsmerkmal…?!?

 

Die entstehenden Dysbalancen durch Zinsen

Geldsystemkritiker sehen neben der Geldschöpfung die Vermögensumverteilung über Zinsen als das Kernproblem von Euro, US-Dollar & Co.

 

In Ausbildung und Studium wurde versucht mir beizubringen, daß zu einer gesunden Finanzierung eines Unternehmens auch immer eine Fremdkapitalfinanzierung dazugehört.

Damit ließe sich dann im Optimalfall ein super Leverage-Effekt und eine super Eigenkapitalrendite erzielen.

 

Wenn ein Unternehmer nun jedoch einen Kredit aufnimmt, muß er derzeit neben der üblichen Tilgung auch (noch) Zinszahlungen an seine Bank abführen.

Der Unternehmer, der natürlich alle Kosten, die in seinem Tagesgeschäft anfallen, mit in die Preise einkalkuliert, darf dann die Kosten für die von der Bank bereitgestellte Liquidität nicht vernachlässigen.

Das heißt:

 

Die zu leistenden Zinszahlungen werden in die Preise mit eingerechnet und erhöhen somit auch den Preis.

 

Ob kleine, ob mittlere oder auch große Produkte.

An jedem hergestellten Produkt sind auf Grund teilweise komplexer Wertschöpfungsketten daher oft mehrere Unternehmen beteiligt, die sich alle diesem Geheimtipp der herkömmlichen Wirtschaftslehre verschrieben haben.

 

Sie sind also alle in irgendeiner Form über Fremdkapital finanziert und reichen somit die zu leistenden Zinszahlungen an ihre Kunden weiter.

 

Das hat zur Folge, daß sich die Zinszahlungen an die Bankenbranche bis zum Endprodukt auf ein nettes Sümmchen akkumulieren.

 

Und so gehen Geldsystemkritiker bezugnehmend auf die Recherchen von Helmut Creutz davon aus, daß auf den Preis eines ziemlich jeden Endprodukts eine Zinslast von 30 bis 50% liegt.

Und je kapitalintensiver die Herstellung eines Produkts, desto höher auch die versteckte Zinslast.

(Bei Immobilien beträgt die Zinslast daher ohne weiteres auch mehr als 70%! Hier ein Erklärvideo.)

 

Im übertragenen Sinn heißt das:

 

Nicht der Unternehmer zahlt der Bank die Zinsen, sondern das letzte Glied in der Wertschöpfungskette – der Endkunde.

 

Somit bezahlt also jeder von uns indirekt Zinsen an die Banken – auch wenn uns das auf dem ersten Blick nicht ganz klar ist.

 

Ich werde Millionär und lebe von den Zinsen!

 

Dieser Spruch, den Du bestimmt schon einmal gehört hast oder gar darüber nachgedacht hast dieser so lapidar formulierten Vision nachzugehen, zeigt, daß es allerdings in unserer Gesellschaft nicht nur „Netto-Zinszahler“ gibt.

 

Es gibt auch Menschen, bei denen die Zinseinnahmen indirekten Zinszahlungen bei weitem übertreffen.

 

Und dieser Überschuss, der nur bei den reichsten 10% der Gesellschaft erzielt wird, wird von den ärmeren 80% der Gesellschaft über die in die Preise einkalkulierten Zinsen bezahlt.

(Beim zweitreichsten Zehntel gleichen sich Zinslast und Zinsertrag mehr oder minder aus.)

 

Vom einen ins andere Dogma

Viele Geldsystemkritiker und Geldreformer orientieren sich daher an der Lehre von Silvio Gesell und den Beispielen des Wunder von Wörgls oder jenem der Brakteaten aus der Zeit des Mittelalters.

 

Sie operieren in ihren Regionalgeld-Initiativen daher oft mit einer Umlaufgebühr, die gerne auch Negativzins genannt wird.

(Durch den Negativzins der EZB haben die Regionalgeld-Initiativen allerdings ein kleines Argumentationsproblem, siehe: 7 Gründe warum Regionalgeld-Initiativen scheitern)

 

Die Umlaufgebühr funktioniert dabei so ähnlich wie ein Parkgebühr:

 

Ein Parkplatz kann für eine bestimmte Zeit kostenfrei genutzt werden um schnelle Geschäfte in der Stadt zu erledigen.

Wer den Parkplatz zu lange besetzt hält und somit verhindert, daß andere Menschen in der Stadt ihre Erledigungen tätigen können, zahlt eine Parkgebühr.

 

Wegen der fehlenden Neigung das Geld vermehrt auszugeben oder es gar zu verschenken entspricht dies der Vorstellung, daß die reichen Menschen deshalb eher darauf aus sind das Geld auf Grund der Zinserträge ebenso zu besetzen bzw. zu horten.

Dieses Geld steht – wegen fehlender Umsätze durch Kunden des reichsten Zehntels unserer Gesellschaft – somit den ärmeren Menschen zur eigenen Bedarfserfüllung nicht zur Verfügung.

 

Deshalb die Theorie der Umlaufgebühr, die das Horten von Geld verhindern soll und die Menschen dazu animieren möchte das Geld wieder in der Gesellschaft zu verteilen.

 

Ist die Umlaufgebühr ein Euphemismus des Negativzinses?

Euphemismus ist die Kunst negative Dinge schön zu umschreiben.

 

Der Begriff Eurorettungsschirm fällt mir dabei ganz spontan ein.

 

Daß sich solcherlei Euphemismen jedoch auch mal selbst enttarnen, steht auf einem anderen Blatt:

Wovor schützt ein Regenschirm? – Vor dem Regen!

Wovor schützt ein Fallschirm? – Vor dem Fall!

Wovor schützt dann ein Rettungsschirm? – …!?!

 

Negativzins ist so ein Begriff, der sich genauso unschön wie alterndes Geld oder Schwundgeld anhört.

 

Von daher müssen auch die Geldreformer bei den Begrifflichkeiten Marketing betreiben.

 

Und so führen sie einen unermüdlichen Kampf gegen die Angst vor der Umlaufgebühr, wenn man diese mit dem Negativzins vergleicht.

 

Denn schließlich hat kaum ein Mensch wirklich Lust Argumente an sich heranzulassen, die ihm erzählen, daß sein Sparwille bestraft wird und daß das sogar gut sein soll.

 

Die Intervalle von Umlaufgebühr und Negativzins

Vergleichen wir die Regionalgeld-Initiativen miteinander zeigt sich, daß die Abrechnungszeitpunkte der Umlaufgebühr variieren.

 

Das heißt in der einen Intitiative wird die Umlaufgebühr nach einem Monat, bei der nächsten nach einem Jahr bei der übernächsten wiederum quartalsweise fällig.

 

Hast Du also vor dem Monatswechsel all Dein Geld ausgegeben, betrifft Dich die Umlaufgebühr nicht.

 

Kommen wir zum Negativzins.

In der Regel berechnen die Banken die Zinsen auf Tagesbasis.

Bei negativen Zinsen wäre daher ein ähnliches Vorgehen anzunehmen.

 

Das heißt für Dich, daß es keinen Unterschied macht, ob Du Deine Million, die Du am 1. Juli 2016 bei Deiner Bank abgegeben hast, schon gleich am 4. am 16., am 27. Juli oder auch erst am 7. August wieder abholst:

 

Du hast den Negativzins bedienen müssen, weil Du Dein Vermögen dort länger als einen Tag hast liegen lassen.

Gut, der aus dem Negativzins resultierende zu zahlende Betrag ist wegen der unterschiedlichen „Geldparkdauer“ unterschiedlich hoch.

Doch Dein Geld lag länger auf der Bank als das Intervall, nach welchem der Negativzins fällig wird.

 

Wo ist der Unterschied zwischen Umlaufgebühr und Negativzins?

Eine Umlaufgebühr wird nach einem Monat erhoben.

Der Negativzins nach einem Tag.

 

Was ist, wenn eine Regionalgeld-Initiative auf die Idee kommt eine Umlaufgebühr stets nach 2 Wochen zu erheben?

Heißt es dann immer noch Umlaufgebühr?

 

Was ist, wenn das Intervall der Umlaufgebühr auf 1 Woche verkürzt wird?

Auf 3 Tage?

Auf einen einzigen Tag?!?

 

Ab wann heißt die Umlaufgebühr nicht mehr Umlaufgebühr sondern Negativzins?

 

Fazit:

Der Unterschied zwischen einer Umlaufgebühr und dem Negativzins beträgt exakt 29 Tage!

 


 

Einst auf die Verwerfungen unserer Gesellschaft aufmerksam gemacht,

entstand das Ziel unser aller Welt doch endlich besser zu gestalten.

Keine Ruh fortan empfindend und mit dem Gesell’schen Buch morgens aufgewacht,

weil schließlich braucht es Disziplin um nicht zu scheitern sondern durchzuhalten.

 

Denn „das System“ läßt nicht locker und ist nicht von gestern.

Es sich zeigt, wie die EZB dem Geldreformer nun die Argumente nimmt, ihn beraubt.

Doch die Gebühr daher hochzuleben und über den Zins zu lästern,

macht irrtumsblind, weil es festzuhalten gilt am Dogma, an welchem noch zuvor geglaubt.

 

Martin Matzat

Martin Matzat ist Philosoph, Referent, Autor sowie Erkenntnis- und Ideologieforscher. Der Dipl. Wirtschaftsingenieur, den die Lösung der sozialen Frage umtreibt, ist bis zur erkenntnistheoretischen Grundlage unserer Weltbilder vorgedrungen und sieht darin die Ursache gegenwärtiger und sich zukünftig wiederholender Ideologien.

Bisher veröffentlichte Bücher:
- Bewußtsein sucht Geld & Freiheit – Finanzielle Freiheit und Networkmarketing im gesellschaftlichen Kontext (2019)
- Die Matrjoschka-Matrix – Erkenntnis und Wahrheit (2020)


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