23. Mai 2016

7 Gründe, warum Regionalgeld-Initiativen scheitern

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Irgendwie paradox.

 

Aber ich habe so einige Leser schon enttäuscht.

 

Ich habe so einige Leser deshalb enttäuscht, weil ich vor einiger Zeit eine Artikelserie über Regionalgeld geschrieben hatte.

Eine Artikelserie, die ich aus viel Idealismus geschrieben hatte.

 

Doch ich wußte schon damals, daß Regionalgelder den Menschen (noch) nicht wirklich weiterhelfen.

Denn der Trend der sterbenden Regionalgeld-Initiativen spricht schon eine ganze Weile eine deutliche Sprache.

 

Und ich habe trotzdem so geschrieben als wäre es die Alternative zum Euro schlechthin…

 

Wenn ein ehrlicher Mensch erkennt, daß er irrt, dann wird er sich entweder seines Irrtums oder seiner Ehrlichkeit entledigen!Unbekannt

 

Ich habe also Leser verloren, weil ich an meinem Idealismus unbedingt festhalten wollte.

 

Wie also hätte mein Idealismus die Welt befruchten können, wenn ich mir die Leser vergrätze?

*Am-Kopf-kratz*

 

Was liegt da also näher als mal einen Artikel über Gründe zu schreiben, mit welchen sich Regionalgeld-Initiativen wie ich um ihre eigenen Früchte bringen?!

 

Schon seit einiger Zeit gehe ich deshalb schwanger mit diesem Artikel.

Doch vor einigen Tagen bekam ich vom Leben durch die Studie von Sebastian Leinert den berühmten Wink mit dem Zaunpfahl…

 

1. Das negativ besetzte Verständnis für eine Umlaufgebühr

Die Umlaufgebühr ist das, was der Laie gerne auch mal Negativzins nennt.

 

Und wie Du sicher schon bemerkt hast, bewegt sich auch die EZB schon seit einer Weile in diese Richtung.

Sie versucht über den Zins die Wirtschaft und den Konsum zu steuern.

 

Ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen, erfährt dieser Negativzins allerdings gerade bei der hochkochenden Diskussion um die Bargeldabschaffung eine massive Ablehnung.

 

Nun mag die Umlaufgebühr für ein größeres Miteinander unter den Menschen sorgen und auch dazu beitragen, daß das Geld in Fluss bleibt anstatt an einer bestimmten Stelle zu verklumpen, was konsequenterweise zu einem gesellschaftlichen Infarkt führen würde.

 

Wenn unser kollektives Bewußtsein allerdings noch auf „Geld anlegen“ und nicht auf „Geld geben“ programmiert ist, dann wird sich jedes Regionalgeld an der Diskussion um die Umlaufgebühr bei potentiell Interessierten immer wieder die Zähne ausbeißen.

 

Denn im Kollektiv wird die Umlaufgebühr bzw. der Negativzins abgelehnt.

 

Und auch intern könnte die Umlaufgebühr zu viele Ressourcen verbrauchen.

Denn gerade bei einem Bargeld mit Umlaufgebühr könnte der zusätzliche Verwaltungsaufwand doch sehr viele Kräfte binden, die anderweitig effektiver eingesetzt werden könnten.

 

2. Es existiert kein direkter Kundennutzen

So mancher idealistische Konsument findet die Idee von Regionalgeld echt klasse.

Und von einem ersten Enthusiasmus getrieben, nimmt er auch immer wieder die Mühe auf sich die nächste Umtauschstelle aufzusuchen.

 

Doch diese anfängliche Motivation ebbt schon bald ab.

 

Das liegt sehr oft daran, daß starr an dem Wechselkurs von 1:1 festgehalten wird.

Denn dieser Wechselkurs zieht sich von der Umtauschstelle bis zum Einzelhändler wie ein roter Faden durch.

 

Mal ehrlich:

Wenn Du Zeit, Kraft und Geld aufwenden mußt, um 10 Euro in 10 Regionalgeldtaler einzutauschen und es dann für Dich als Konsument keinen Unterschied macht, ob Du für das Produkt XY 10 Euro oder 10 Regionalgeldtaler bezahlst…

Warum dann überhaupt die Mühe machen und Euro umtauschen?

 

Du merkst vielleicht auch, daß das Geld bei Dir persönlich gerade rarer wird.

Und spätestens dann fragst Du Dich nämlich, warum Du für Deinen Idealismus in Form von Zeit, Kraft und Geld noch draufzahlst.

 

Die Lösung:

Selbst der idealistischste Kunde braucht einen sofortigen(!) Mehrwert, wenn er mit Regionalgeld anstatt mit Euro einkauft.

 

Und dieser Mehrwert kann u.a. durch Preisvorteile beim Einzelhändler so gut kommuniziert werden, daß auch andere Menschen auf der Suche nach Mehrwerten beginnen zu fragen:

 

Regionalgeld?

Watt’n datt’n?

 

3. Das Verhalten der Konsumenten wird ignoriert

Bargeld ist Freiheit.

Na klar.

 

Aber Du bist doch genauso wie ich jemand, der sich gerne im Internet informiert.

 

Und wenn Du schon vor diesem Kunststoff-Apparat sitzt, dann könnte über diesen Weg doch auch die eine oder andere Bestellung oder gar Bezahlung abgewickelt werden.

 

Es hat etwas unpersönlicheres als eine Bargeldzahlung, ja.

 

Aber steht einer Regionalgeld-Initiative an dieser Stelle der eigene Idealismus nicht irgendwie im Wege, wenn dem Konsumenten der Onlinezugang nicht ermöglicht wird?

Denn wenn der Konsument in seiner Bequemlichkeit keine Anreize findet Regionalgeld zu nutzen, wie soll dann ein Regionalgeld in dieser technischen Welt Dynamiken entwickeln, die sich neben dem Euro wirklich sehen lassen können?

 

Online-Bezahlung sowie ein Online-Schaufenster über einzelne Produkte der jeweiligen Anbieter, sind Elemente des heutigen Konsums.

 

Und wenn wir Menschen für unsere Vorhaben gewinnen wollen, dann dürfen wir halt lernen sie dort abzuholen, wo sie sich (größtenteils) auch aufhalten:

 

Im Internet.

 

4. Viele Regionalgeld-Initiativen wählen keine klare Ansprache

Bei meinen Recherchen zu den verschiedenen Regionalgeldern, Tauschringen und Stadtgeldern im deutschsprachigen Raum hatte ich so manches Mal die Zahlungsalternative schon nach ein paar Sekunden innerlich abgeheftet.

 

Warum?

 

Weil ich einerseits bei bestem Willen nicht erkennen konnte welche Zielgruppe auf der Webseite angesprochen werden soll:

Sind es die Konsumenten oder die Akzeptanzstellen?

 

Und zum anderen – und das mag mit dem fehlenden kommunikativen Fokus auf die Zielgruppe zusammenhängen – war die Internetseite manchmal wie Kraut und Rüben aufgebaut, so daß ich nicht wußte, wo ich mich auf der Onlinepräsenz gerade befinde.

 

Wenn auch mit noch viel Potential nach oben haben die Stadtgelder von allen Dreien diese Kommunikationsfrage insgesamt am besten gelöst.

 

Sehr oft wurde dort die Kommunikation auf den Konsumenten abgestimmt.

(z.B. „Wenn Du nicht weißt, was Du zu Weihnachten verschenken sollst, dann verschenke unseren Einkaufsgutschein!“)

 

Und der Konsument bekommt dann nach Möglichkeit alle Informationen, die er für seinen Einkauf mit seinem Einkaufsgutschein sich nur wünschen kann:

Welche Akzeptanzstellen gibt es?

Wo gibt es diese Akzeptanzstellen?

Gibt es neue Akzeptanzstellen?

Wie kann ich einen Einkaufsgutschein erwerben?

Wie verwende ich den Gutschein und was muß ich beachten?

usw.

 

Also kein Satz davon warum jemand Akzeptanzstelle werden sollte.

 

Deshalb dürfen Regionalgeld-Initiativen dem Einzelhändeler oder dem Bio-Bauern auch gerne ein wenig mehr zutrauen.

 

Denn interessierte Unternehmer werden die Initiative aufsuchen, die für die anderen Akzeptanzstellen erfolgreich Werbung macht.

Und sie werden von ganz alleine fragen, wie sie dabei sein können.

 

Da reicht dann auf der Webseite an geeigneter Stelle eine einfache Frage mit einer klaren darauf folgenden Handlungsaufforderung:

Sie möchten auch Regionalgeldtaler akzeptieren?

Dann rufen Sie uns an!

 

Der Rest kann für eine neue Akzeptanzstelle also abseits der Webseite erklärt und besprochen werden.

 

5. Der chronische Geldmangel einer Regionalgeld-Initiative

Nun leben wir in Zeiten, wo das Geld knapper wird.

 

Und meistens sind jene Menschen, bei welchen das Geld knapper wird auch jene, die sich über Alternativen zum Euro Gedanken machen (müssen).

 

Gerade privat gegründete Regionalgeld-Initiativen leiden in der Kenntnis um die Geldknappheit oft daran, daß sie sich ausschließlich auf das Geben konzentrieren.

Also, daß das Nehmen – z.B. in Form eines angemessenen monatlichen Geld-Betrags von den Akzeptanzstellen – vergessen oder gar ausgeschlossen wird.

 

Das ist so, als würdest Du nur ausatmen!

 

Mach mal den Test:

Wie lang kannst Du diese Atemtechnik durchhalten?

 

Fakt ist jedenfalls, daß die Akzeptanzstellen nur dann wirklich von einer Regionalgeld-Initiative profitieren, wenn sie sich auch um das Wohl der Akzeptanzstellen kümmert.

 

Sei es in Form von regelmäßiger Nachfrage nach Bedürfnissen bei den bestehenden Akzeptanzstellen.

Sei es in Form von Einbindung weiterer Akzeptanzstellen, damit das Netzwerk noch dichter wird.

Sei es in Form von PR-Artikeln in Zeitungen.

Sei es in Form von Online- sowie Social-Media-Marketing.

 

Die Krux ist allerdings, daß die Pflege für das Erblühen eines solchen Netzwerks Zeit (und manchmal auch Geld) kostet.

 

Diese Zeit kann sich eine Regionalgeld-Initiative allerdings nur dann nehmen, wenn sie finanziell den Rücken frei hat.

 

Denn wenn die Initiatoren in der Woche nicht 40 Stunden für die Akzeptanzstellen da sein können, sondern währenddessen ihrem Angestelltenjob nachgehen müssen, dann leidet die Qualität.

 

Ganz einfach.

 

6. Dem Regionalgeld fehlen Knappheitselemente

Ich muß zugeben, daß ich den Gedanken des Grundeinkommens schon irgendwie klasse finde.

 

Aber ich bin immer mehr davon überzeugt, daß dieser Gedanke für Regionalgelder Gift ist – gerade zu Beginn.

 

Warum?

 

Das Regionalgeld soll attraktiv sein, also ein wirklich begehrenswertes Gut.

 

Ist etwas – rein subjektiv und bedürfnisorientiert betrachtet – begehrenswert, wenn es in Hülle und Fülle vorhanden ist?

 

Warum werden Gold oder Diamanten in unserer Gesellschaft als so wertvoll betrachtet?

 

Du verschenkst 1.000 Euro.

Wer freut sich mehr über Dein Geschenk?

Der Bettler oder der Multi-Millionär?

 

[bctt tweet=“Wahre Wertschätzung leben wir erst dann, wenn wir zuvor einen Mangel erfahren haben! “ username=“GeldmarketingMM“]

Und das gilt im Übrigen auch für Dich und mich als vermeintlich „Aufgewachte“. 😉

 

An dieser Stelle muß ich zugeben, daß mir bei sämtlichen Tauschringen, Regional- und Stadtgeldern Knappheitselemente fehlen.

 

Vielleicht wird dieser Gedanke auch konsequent ausgeblendet, weil wir diese Knappheit beim Euro gerade erfahren und der Euro nunmal prinzipiell böse ist…

 

Aber die Menschen „brauchen“ nun mal Euro, um weiterhin Essen, Miete, Steuern usw. bezahlen zu können.

Wegen diesen permanenten Nötigungen – also mehreren Knappheitselementen – ist der Euro trotz aller Widrigkeiten begehrenswert.

 

Wenn die Regionalgeld-Initiative mit einem Grundeinkommen in ihrer Zahlungsalternative wirbt, dann gibt es für die Teilnehmer keine ernsthaften Anreize regelmäßig und konsequent Regionalgeldtaler über Produktverkäufe oder Dienstleistungen zu erwerben.

 

Mag ja sein, daß Du nun dagegenhalten möchtest.

 

Aber dann mach doch mal folgenden Test:

Frag Deine Gemeinschaft doch mal wie viele Euro jemand für Deine 100 Regionalgeldtaler anbietet.

 

Wenn dann niemand antwortet bzw. jemand, der weniger als 100 Euro anbietet, spätestens dann sollte der Groschen fallen, daß der Euro begehrenswerter ist als der Regionalgeldtaler.

 

Und dann wird es für Deine Regionalgeld-Initiative schwer das Netzwerk dauerhaft am Leben zu halten.

 

Falls Du den siebten Grund gerade vermißt…

führe Dir vor Augen, daß Menschen oftmals deshalb scheitern, weil sie ihrer Umwelt zuvor vollmundig zu viel versprochen haben. 😉

 

Martin Matzat

Martin Matzat ist Philosoph, Referent, Autor sowie Erkenntnis- und Ideologieforscher. Der Dipl. Wirtschaftsingenieur, den die Lösung der sozialen Frage umtreibt, ist bis zur erkenntnistheoretischen Grundlage unserer Weltbilder vorgedrungen und sieht darin die Ursache gegenwärtiger und sich zukünftig wiederholender Ideologien.

Bisher veröffentlichte Bücher:
- Bewußtsein sucht Geld & Freiheit – Finanzielle Freiheit und Networkmarketing im gesellschaftlichen Kontext (2019)
- Die Matrjoschka-Matrix – Erkenntnis und Wahrheit (2020)


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