02. September 2017

Steemit-Kritik: Warum die Diskussion um Plagiate widersprüchlich ist

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„Wehe, jemand guckt ab!“

Kennen wir das nicht aus der Schule?

Also jener Ort, der uns Dinge beigebracht hat, die wir lernen sollten und nicht jene, die wir lernen wollten?

Wie viele unserer (damaligen) Lehrer sind bei Konfuzius zur Schule gegangen?

 

„Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: erstens durch nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.“

Konfuzius

 

Wie ich in Was ist Eigentum? schon andeutete, ist die Plagiats-Diskussion auf Steemit widersprüchlich.

Gehen wir deshalb nun noch einen Schritt weiter.

 

2 Gründe warum Plagiate auf Steemit unerwünscht sind

1. Das Ego möchte glänzen und sich nicht in Frage stellen lassen

Wer auf Steemit Artikel veröffentlicht, bekommt – sofern er genug Menschen erreicht, die diesen Artikel lesen und für gut befinden – für jene Veröffentlichung Geld.

 

Sofern ein Steemianer sich nun allerdings nicht dazu in der Lage fühlt selbst ein paar Texte zu seinen Lieblingsthemen zu verfassen, könnte er auf die Idee kommen bestimmte Inhalte aus dem Internet mit ein paar Mausklicks zu kopieren und bei Steemit in einen Artikel einzufügen.

Er könnte sich also mit fremden Federn schmücken und darauf spekulieren, daß er mit dem einfachen Kopieren von Inhalten Geld verdient und Anerkennung findet.

Die Bots spüren dabei solcherlei kopierte Texte allerdings auf, so daß der Steemianer nicht gleich sein Federkleid anziehen kann – denn vorher wird er von der Steemit-Gemeinschaft möglicherweise noch geteert.

 

Insgesamt ist es sehr interessant zu beobachten, wie die Egos mit all ihren Facetten hier aufeinander prallen:

Einer, dem es in erster Linie um Anerkennung geht. (-> „Ich bin mein guter Ruf“ & „Ich bin, was ich leiste!“)

Und andere, die sich ständig mit anderen vergleichen und es daher nicht akzeptieren können, wenn ein Plagiator für ihre Werke sogar noch Anerkennung bekommt.

Schließlich wird durch diesen Vergleich die eigene mühsam aufgebaute Anerkennung relativiert und somit auch das eigene Ego in Frage gestellt.

 

2. Für Steemit geht es um Suchmaschinenoptimierung

Google mag es nicht, wenn irgendwo Inhalte doppelt erscheinen.

Allein, wenn auf irgendeiner Seite kopierte Textpassagen vorzufinden sind, dann wird jene Seite von Google im Ranking schon abgestraft.

Und da alle Artikel der Steemianer bei Google gefunden werden können, gibt es eine Motivation, auch bei Google immer schön weit oben gelistet zu sein.

 

Der einzelne Steemianer mag daran vielleicht weniger denken.

Aber Steemit selbst und somit auch die Gemeinschaft hat haben sehr wenig Interesse daran, daß das soziale Netzwerk wegen zu vieler Plagiate abgestraft wird.

Ego, ich hör Dir trabsen!

 

Eine Diskussion um geistiges Eigentum

Die Plagiat-Diskussion konfrontiert uns also mit unseren Egos.

Das falsche Selbst, über welches wir unser Dasein als Mensch definieren.

Wir werden vom Leben also dazu aufgefordert uns unsere eigenen Irrtümer genauer anzuschauen.

„Wenn ein ehrlicher Mensch erkennt, daß er irrt, dann wird er sich entweder seines Irrtums oder seiner Ehrlichkeit entledigen.“

Unbekannt

Schon in Was ist Eigentum? habe ich einen Glaubenssatz des Egos auf die Schippe genommen:

„Ich bin, was ich besitze!“

 

 

Denn bei unseren Definitionen erzeugen wir stets Grenzen und Barrieren, die eigentlich gar nicht da sind.

Das liegt daran, daß wir für unsere Definitionen einzelne Elemente von dem großen Ganzen isolieren, damit wir überhaupt eine Definition bzw. eine Grenze formulieren können.

Doch dabei werden diverse Wechselbeziehungen zur Umwelt ignoriert und automatisch auch ausgeschlossen, so daß sich irgendwann die ersten Konflikte bei der Diskussion um die richtigen Grenzen und Definitionen zeigen müssen.

 

Es zeigt sich, daß die Diskussion um Plagiate eine Diskussion um geistiges Eigentum ist.

Doch wer kann schon sagen wer welchen Gedanken zuerst gedacht hat?

Und wo kommen die Gedanken eigentlich alle her?

Gibt es eine Urquelle für alle Gedanken?

Und falls es eine Urquelle geben sollte, gehört sie dann nicht sogar jedem?

 

Welchen Widerspruch die Blockchain aufzeigt

Alles, was sich dezentralisieren läßt, wird von der Blockchain dezentralisiert!

ALLES!

 

Die Blockchain greift das auf, was ohnehin schon Trend in unserer Gesellschaft ist:

Zentralisierung ist out – Dezentralisierung und Sharing ist in!

 

Eigene Autos zu besitzen wird vom Carsharing abgelöst.

Große Kraftwerke werden durch Solarplatten, Windmühlen und schließlich durch freie Energie ersetzt.

Know-How zurückzuhalten ist der Tod – Content Marketing ist King!

Der Bitcoin und die mitgebrachte Blockchain-Technologie haben begonnen die Daseinsberechtigung des zentralen Finanzsystems praktisch auf die Probe zu stellen.

Und mit der Blockchain werden auch zentrale Staatsstrukturen immer öfter ihre Verwaltungsaufgaben abgeben müssen, so daß schließlich jede Staatsverwaltung immer mehr an Macht und Einfluß verliert.

Auch Facebook, Google, Amazon – sie alle werden früher oder später um ihre Anerkennung in der Gesellschaft bangen müssen.

 

Die Blockchain unterstützt den gesellschaftlichen Wunsch Monopole aufzubrechen.

Es ist nun technisch möglich dezentrale Verwaltungen zu organisieren, so daß sich zentrale Machtstrukturen früher oder später von ihren Produkt-, Preis-, Geld- oder Gewaltmonopolen trennen werden müssen.

 

Alles, was sich dezentralisieren läßt, wird von der Blockchain dezentralisiert!

Doch wenn die Dezentralisierung gerade erst ihren Anfang genommen hat, wo ist dann das Ende?

Hätte ich in der Onlinewelt als Verfasser eines eBooks nicht auch ein gewisses Monopol darüber wem ich zu welchen Konditionen dieses eBook (-> MEIN Wissen) zukommen lasse?

Wie lange kann ich dieses „Produktmonopol“ auf mein geistiges Eigentum verteidigen, wenn die Dezentralisierungswelle gerade um mich greift?

Mein Ego sagt mir schließlich, ich sei, was ich besitze…

 

Die Idee der Blockchain ist in der Mitte der Gesellschaft noch gar nicht angekommen und doch schlägt sie schon jetzt große Wellen.

Begeisterung auf der einen Seite.

Ärger auf der anderen Seite, die noch an der Vergangenheit festhalten möchte.

 

Nichts desto trotz wird uns die Dezentralisierungswelle der Blockchain irgendwann auch persönlich treffen, so daß wir früher oder später dazu aufgefordert werden von unseren Vorstellungen und Besitztümern loszulassen.

Und diesen Loslaßprozeß werden nicht nur die Wächter des noch vorherrschenden Finanzsystems durchmachen müssen.

 

Fazit

Wohl jeder Fan der Blockchain-Technologie findet Dezentralisierung „geil“.

Nichts sollte in der Hand eines Einzelnen bleiben.

Doch wenn Steemit für sich in gewisser Weise beansprucht der einzige Ort zu sein, an welchem bestimmte Inhalte veröffentlicht werden, dann sind das Monopolgedanken.

 

Dabei stehen die Gedanken auf geistiges Eigentum bereits verfasster Textpassagen im Internet diesem Widerspruch in nichts nach.

Dezentralisierung ist schon „cool“ – aber nur dann, wenn es einen nicht selbst betrifft.

 

[Dies ist der siebte Artikel zu einer kleinen aber feinen Steemit-Artikelserie.]

Du findest diesen Artikel gut? Falls Du bereits ein Steemit-Profil besitzt, kannst Du ihn hier upvoten. ?

Martin Matzat

Martin Matzat ist Philosoph, Referent, Autor sowie Erkenntnis- und Ideologieforscher. Der Dipl. Wirtschaftsingenieur, den die Lösung der sozialen Frage umtreibt, ist bis zur erkenntnistheoretischen Grundlage unserer Weltbilder vorgedrungen und sieht darin die Ursache gegenwärtiger und sich zukünftig wiederholender Ideologien.

Bisher veröffentlichte Bücher:
- Bewußtsein sucht Geld & Freiheit – Finanzielle Freiheit und Networkmarketing im gesellschaftlichen Kontext (2019)
- Die Matrjoschka-Matrix – Erkenntnis und Wahrheit (2020)


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